Innenstadtentwicklung
Zukunftsvisionen für Steinheim und welche ersten Schritte schon gemacht wurden
Das Thema Innenstadtentwicklung beschäftigt die Verwaltung seit Jahren. Doch mit der Diskussion um den Neubau des Rathauses rückt das Thema nun wieder verstärkt in den Fokus. Auf dieser Seite möchten wir Ihnen den aktuellen Stand und die Planungen seitens der Stadtverwaltung vorstellen.
Sie sind herzlich eingeladen die Gemeinderatssitzungen zu besuchen, hier erfahren Sie immer was warum beschlossen wurde. Welche Themen auf der Tagesordnung stehen sehen Sie in den Sitzungsvorlagen im Ratsinformationssystem oder im wöchentlichen erscheinenden Amtsblatt.
Teil 1 - Die aktuelle Situation
Bei der Frage, wie eine zukunftssichere, angemessene und wirtschaftliche Lösung für den Verwaltungssitz aussehen kann, müssen die gesamte Innenstadt mit allen Gebäuden und deren aktuelle und künftige Nutzung, die Verkehrswege sowie die Infrastruktur berücksichtigt werden. Die Stadt hat in der Vergangenheit zur Sicherung der innerstädtischen Entwicklung viele Gebäude im Eigentum halten können oder neu erworben. „Der große Bestand bietet viele Möglichkeiten, die im Moment nicht genutzt werden und deren Potentiale wir vielleicht noch gar nicht alle kennen“, sagt Bürgermeister Thomas Winterhalter. Neben dem Rathaus umfasst der Gebäudebestand die Stadtbibliothek, die Kelter, das Gasthaus Lamm, die Alte Schmiede, das Backhaus und weitere städtische Gebäude in der Badtorstaße. Allerdings bringen diese Immobilien und Flächen auch Probleme mit sich: Sanierungsrückstände führten zu Leerstand. Rund 40% der städtischen Immobilienflächen in der Innenstadt können daher derzeit nicht genutzt werden. Viele Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Die Auflagen des Denkmalschutzes schränken die Planung sowie die aktuelle und die zukünftige Nutzung ein, Bauvorhaben im Steinheimer Innenstadtbereich erfordern Untersuchungen des Landesamtes für Denkmalpflege. Erschwerend kommt nach neuesten Erkenntnissen hinzu, dass im Bereich der Innenstadt geschützte Tierarten vorkommen, auch das Artenschutzrecht wird relevant. Bei einigen Flächen besteht zudem der Verdacht auf Kampfmittel aus dem zweiten Weltkrieg, zudem ist die Beschaffenheit des Baugrundes an vielen Stellen problematisch.
Die städtischen Liegenschaften kommen auf den Prüfstand
Vor diesem Hintergrund entschloss sich die Verwaltung im Jahr 2022, das Thema Innenstadtentwicklung verstärkt anzugehen, um das brachliegende Potenzial auszuschöpfen, auch um weiterhin Freiwilligkeitsleistungen wie z.B. Museen anbieten zu können und dadurch die Attraktivität der Stadt zu steigern. „Hier müssen wir aktiv werden“, davon ist Thomas Winterhalter überzeugt. Denn die ineffiziente Nutzung der städtischen Liegenschaften belastet den städtischen Haushalt und schränkt den Handlungsspielraum der Stadt ein. Nach längeren Vorgesprächen und Voruntersuchungen wurde schließlich im April 2023 das Planungsbüro sutter³ mit der Erstellung eines Konzepts zur Stadtentwicklung beauftragt. Das Planungsbüro mit Sitz in Freiburg ist spezialisiert auf die Sanierung alter und historischer Bauwerke. Zu den Schwerpunkten von sutter³ gehört auch die Beratung von Kommunen, inklusive Kosten/ Nutzen-Abwägungen sowie der Konzeption neuer Nutzungen für sanierungsbedürftige, denkmalgeschützte Gebäude. Der Auftrag des Planungsbüros umfasst die Projektentwicklung, die baurechtliche Vorprüfung sowie eine Betrachtung der Wirtschaftlichkeit der neuen Flächen- und Nutzungskonzepte.
Teil 2 - Bestandsermittlung
Welche Gebäude gehören der Stadt, in welchen Zustand sind sie, wofür werden sie genutzt – und wie geht das besser?
Die Stadt Steinheim verfügt über einen großen Gebäudebestand in der Innenstadt, was weitreichende Gestaltungsspielräume ermöglicht. Allerdings führt die Tatsache, dass viele der Gebäude unter Denkmalschutz stehen sowie der schlechte Zustand der Liegenschaften und Sanierungsrückstände der vergangenen Jahrzehnte dazu, dass etliche der Gebäude nicht effizient genutzt werden können. „Wir verschenken hier enormes Potenzial“, sagt Bürgermeister Thomas Winterhalter. Im Zuge der Innenstadtentwicklung hat die Stadt deshalb im Frühjahr 2023 das Planungsbüro sutter³ mit der Erstellung eines Konzepts zur Stadtentwicklung beauftragt. Für das Konzept musste zunächst die Grundlage geschaffen werden: Die Expert:innen verschafften sich in Begehungen einen ersten Überblick über die betroffenen Gebäude, dazu gehören unter anderem das Rathaus, die Stadtbibliothek, die Kelter, das Gasthaus Lamm, die Alte Schmiede, das Backhaus und weitere Gebäude in der Badtorstaße. Anschließend wurde für jedes einzelne Gebäude ein standardisiertes Datenblatt mit Flurstücknummer, -größe und Angaben zum Gebäude wie Größe, Erschließung und Zustand angelegt. Es umfasst unter anderem Angaben zur Lage des Grundstücks mit eventuellen Besonderheiten wie Hochwassergebiet, die Nutzfläche, Angaben zum Bauordnungsrecht sowie einen ersten Eindruck der Bausubstanz. Für die Plausibilitätsprüfung wurden alle Räume der verschiedenen Liegenschaften besichtigt und mit einer 360°-Kamera festgehalten. Darüber hinaus wurden Aufmaße zur Prüfung der Raumflächen und -höhen erhoben. Ziel dieser Prüfung sind valide, aktuelle Zahlen und Angaben, zum Beispiel zu den Nutzflächen der Gebäude, da die Angaben in alten Unterlagen sich häufig nicht mit der aktuellen Situation decken.
Wie ein Puzzle: Bestandsaufnahme von mehr als 20 Grundstücken und Gebäuden
Die Zusammenstellung der Daten war aufwändig, denn zum Beispiel das über 400 Jahre alte Rathaus oder die Alte Schmiede aus dem 18. Jahrhundert wurden über die Jahre verändert, Unterlagen darüber sind aber im Laufe der Zeit verloren gegangen. „Es gibt kein zentrales Archiv, in dem alles hinterlegt ist, man muss wie bei einem Puzzle die einzelnen Teile finden und zusammensetzen“, erklärt Thomas Winterhalter. Insgesamt untersuchte das Planungsbüro mehr als 20 Liegenschaften und erstellte für jede eine detaillierte Aufstellung des Ist-Zustandes. Neben dieser Grundlagenermittlung mit Ämterrecherche und Plausibilitätsprüfung wurde eine Bestands- und Bedarfsermittlung durchgeführt: Welche Räume werden aktuell wie genutzt? Für welche Nutzungen sind auch künftig Räumlichkeiten nötig? Welchen Anforderungen müssen diese Räumlichkeiten entsprechen? Hier wurden auch Fragen zur Barrierefreiheit oder Brandschutzverordnungen berücksichtigt. Die aktuellen Nutzungen wurden in einer Grafik mit Zeitbalken visualisiert, um das Ausmaß der aktuellen Leerstände zu verdeutlichen und das wirtschaftliche Potenzial einer Optimierung zu veranschaulichen. Diese Grundlagenermittlung verdeutlichte auch den erheblichen Sanierungsstau sowie die zahlreichen Leerstände, die entweder aus den langjährigen Sanierungsrückständen oder aus der ineffizienten Raumnutzung der letzten Jahrzehnte resultieren. Gleichzeitig wird deutlich, welches Potenzial in der Optimierung der Nutzungen und Sanierung der Liegenschaften steckt. Für mehr als ein Dutzend der Liegenschaften wurden im Laufe des Projekts Flächenkonzepte entwickelt, um die künftige Nutzungskonzeption auf ihre Machbarkeit und Finanzierungsmöglichkeiten zu überprüfen. „Damit haben wir eine gute Grundlage geschaffen, auf der wir unsere weiteren Überlegungen aufbauen können“, sagt Thomas Winterhalter.
Teil 3 - Die Kelter als neuer Treffpunkt
In der Steinheimer Kelter schlummert viel Potential. Vor rund 35 Jahren wurde das imposante Gebäude in der Kleinbottwarer Straße letztmals saniert, seitdem wird es größtenteils als Lager genutzt. Die Stadt bewahrt im Erdgeschoss beispielsweise Baustelleneinrichtungen und das Vesperkärrele auf. Die beiden Dachgeschosse stehen Vereinen zur Verfügung und werden ebenfalls nur als Lagerfläche genutzt. „Das ist schade, denn die Kelter bietet viele Möglichkeiten. Wir können es uns nicht leisten, dieses Gebäude nicht intensiver zu nutzen und trotzdem bald wieder sanieren zu müssen,“ sagt Bürgermeister Thomas Winterhalter.
Die Kelter wird zum Treffpunkt, die Innenstadt belebt
Im Sanierungs- und Entwicklungskonzept der Steinheimer Innenstadt spielt die 1489 erbaute Kelter eine besondere Rolle. Das Planungsbüro sutter³ hat eine Flächen-, Nutzungs- und Finanzierungskonzeption erstellt und sieht in dem Gebäude mit Anbau und Gewölbekeller das neue Herz des gesellschaftlichen Lebens in Steinheim. Geplant ist unter anderem, das Erdgeschoss in einen multifunktionalen Saal mit angeschlossener Gastronomie und Nebenräumen umzubauen. Das Urmensch-Museum und das Museum zur Kloster- und Stadtgeschichte sollen in den beiden Dachgeschossen untergebracht werden. Bislang sind die beiden städtischen Museen an zwei verschiedenen Orten. „Es ist wirtschaftlicher, sie in einem Gebäude zusammenzulegen“, sagt Winterhalter. Auch die Bücherei soll in die Kelter umziehen. Aktuell wird für die städtische Bibliothek ein ebenfalls sanierungsbedürftiges und nicht barrierefreies Gebäude gegenüber der Kelter genutzt, seit kurzem ist dort auch noch die Heizungsanlage defekt.
Bürger:innen und Vereine werden beteiligt
Für die neue Nutzung der Kelter und weitere Projekte der Innenstadtentwicklung werden derzeit Beteiligungsformate entwickelt, um Bürger:innen und Vereine in die weitere Konzeption mit einzubinden. Dazu ist geplant, dass der Dialog aller Beteiligten über die anstehenden Projekte bereits in diesem Jahr beginnt. Erste Projektskizzen sehen Folgendes vor: Neben der Bücherei ist im Erdgeschoss eine Mehrzweckfläche geplant. Mit bis zu 300 Sitzplätzen kann dieser Bereich für Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen genutzt werden, die bislang in der Blankensteinhalle stattgefunden haben. Auch diese Halle ist in die Jahre gekommen. Eine Sanierung rechnet sich nicht mehr, der Neubau einer reinen Veranstaltungshalle ist teuer und unwirtschaftlich und kann mit dieser Maßnahme ersatzlos entfallen. Den örtlichen Vereinen wird die Veranstaltungsfläche in der Kelter selbstverständlich zur Verfügung stehen. Geplant ist außerdem die Stärkung und Entwicklung der örtlichen Gastronomie sowie entsprechende sanitäre Anlagen und barrierefreie Zugänge. Die Umbauten sind nach aktuellem Stand mit den Auflagen des Denkmal- und Brandschutzes vereinbar. „Mit diesen Ideen können wir zwei sehr wichtige Ziele für Steinheim erreichen: Das neue Nutzungskonzept der Kelter belebt die Innenstadt und bietet gleichzeitig die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Konsolidierung unseres umfassenden Gebäudebestandes und damit auch unseres Haushaltes“, sagt Winterhalter. Die historischen Gebäude in der Innenstadt wie das Museum zur Kloster- und Stadtgeschichte oder das Büchereigebäude können anders genutzt oder beispielsweise über Erbbaurecht veräußert werden. „So kommt etwas Geld in die Kassen, was uns Freiwilligkeitsleistungen wie den Erhalt der Museen und der Bücherei ermöglicht“, sagt Winterhalter. Gleichzeitig werden die Immobilien nicht endgültig verkauft, sondern langfristig verpachtet, sie bleiben also im Besitz und unter der Kontrolle des Gemeinderates und der Stadtverwaltung.
Ein neues Verkehrskonzept für die Innenstadt
„Auch für den Verkehr brauchen wir ein Konzept“, sagt Winterhalter. Denn schon jetzt ist das Verkehrsaufkommen in der Innenstadt sehr hoch, so dass dieses Thema ohnehin betrachtet werden muss. In diesem Zuge wird nun auch über ausreichende Parkflächen für Autos und Fahrräder in der Steinheimer Innenstadt nachgedacht. „Wir haben in den letzten Monaten Verkehrszählungen durchführen lassen. Mit diesen Zahlen werden jetzt Ansätze und Lösungen erarbeitet, wie die angedachten Nutzungen angebunden werden können und wo Parkraum optimiert und neu geschaffen werden kann.“
Erhalt der Museen und der Bücherei
In einer Klausur Anfang März haben sich Gemeinderat und Stadtverwaltung darauf verständigt, dass diese Projekte nicht im städtischen Kernhaushalt und auch nicht in Gänze durch städtisches Personal umgesetzt werden können. Deshalb soll in den kommenden Monaten für das Projekt Kelter sowie die weitere Entwicklung der Steinheimer Innenstadt ein städtischer Eigenbetrieb entwickelt und zum 01.01.2025 gegründet werden. Finanziell tragbar und wirtschaftlich wird der städtische Eigenbetrieb durch Vermietungen, Verpachtungen und die Nutzung der Gebäudebestände. Er ist ein wichtiger Baustein, um neben den zahlreichen kommunalen Pflichtaufgaben auch für die Gesellschaft so wichtige Freiwilligkeitsleistungen wie Bücherei, Museen oder Veranstaltungsräume für Vereine und andere Organisationen erhalten zu können. Die Stadt wird den bisherigen Nutzern der Lagerflächen in der Kelter Alternativen anbieten. „Wir sind gemeinsam mit dem Planungsbüro sutter³ auf einem guten Weg“, sagt Thomas Winterhalter. „Die langfristige und enge Zusammenarbeit mit den Expert:innen zeigt erste, vielversprechende Ergebnisse.“ Schon im Sommer 2022 fanden die ersten Termine mit den Planer:innen zur Bestandsaufnahme vor Ort statt. Es folgten verschiedene Ortstermine und Besichtigungen, unter anderem in Freiburg, wo bereits von sutter³ umgesetzte Projekte in Augenschein genommen wurden. Seit dem ersten Quartal 2023 wird intensiv an der Entwicklung des Projektes gearbeitet.
Lesen Sie in der nächsten Folge der Info-Serie zur Stadtentwicklung, wie die räumliche Neuordnung der Stadtverwaltung geplant ist.
Teil 4 - Verwaltung und Gemeinderat sprechen sich für Neubau des Rathauses aus
Die Kosten für den Neubau konnten mit einer überarbeiteten Planung auf rund 20 Millionen Euro gesenkt werden. Die kürzlich vorgestellte Alternative, eine Sanierung des Gebäudekomplexes in der Ludwigsburger Straße 2 - 4, bewegt sich in einem ähnlichen Kostenrahmen, bringt aber etliche Nachteile mit sich. Verwaltung und Gemeinderat haben deshalb den Neubau des Rathauses beschlossen – in einer abgespeckten Variante mit hohen Einsparpotenzialen.
Der geplante Neubau des Steinheimer Rathauses ist geschrumpft, damit sind auch die Kosten geschrumpft: Nach Überarbeitung der Planungen liegen die Kosten für den Neubau bei rund 20 Millionen Euro statt ursprünglich 27,9 Millionen Euro. Damit kostet der Neubau ähnlich viel wie die im April vorgestellte Alternative: Nach diesem Vorschlag sollte der Verwaltungssitz im Gebäudekomplex in der Ludwigsburger Straße 2 – 4, dem ehemaligen Kaufhaus Groß, untergebracht werden. Für die bedarfsgerechte Sanierung und den barrierefreien Umbau wurden rund 18,6 Millionen Euro veranschlagt. Der Neubau des Rathauses mit identischen Voraussetzungen wie die Sanierungsalternative schlägt nach der Überarbeitung jetzt mit 20,9 Millionen Euro für die Variante Holzbau beziehungsweise 19,8 Millionen Euro für die Variante Stahlbetonbau zu Buche.
Neuer Stadtkern statt einer großen Baubrache
„Bei der Entscheidung für oder gegen den Neubau muss neben den Kosten auch die Entwicklung der Innenstadt berücksichtigt werden. Mit dem Neubau gehen wir die lange aufgeschobene Neugestaltung der Innenstadt an und gewinnen dadurch ein attraktives neues Zentrum. Mit der Sanierungsvariante hätten wir weitere Brachflächen in der Innenstadt bekommen, da etliche Gebäude in so schlechten Zustand sind, dass sie abgerissen werden müssen oder schon abgebrochen wurden“, sagt Bürgermeister Thomas Winterhalter. Mit dem Umzug der Verwaltung in das bestehende Gebäude müssten auch das Steinheimer Lädle, der Textileinzelhändler NKD, die Deutsche Post und ein Versicherungsbüro weichen, was den Verlust wichtiger Frequenzbringer für die Innenstadt bedeuten würde.
Identische Anforderungen an Neubau und Alternative: Archiv bleibt an bisherigem Standort
„Um das Neubau- und Sanierungskonzept überhaupt vergleichen zu können, haben wir die Anforderungen an den Neubau angepasst“, erklärt Thomas Winterhalter. So wurde in den Neubau-Planungen das Archiv gestrichten, denn auch in der Alternative im ehemaligen Kaufhaus Groß könnten die Bestände nicht untergebracht werden. Der Verzicht auf ein Archiv im Neubau hat weitreichende Folgen: Die Kosten reduzieren sich allein durch den Verzicht auf einen Keller um rund 885.000 €. In der ersten Planung war vorgesehen, das Archiv im Dachgeschoss des neuen Rathauses unterzubringen. Entfällt das Archiv, wird das Dachgeschoss frei für die technischen Anlagen wie Heizung und Lüftung. Diese Anlagen waren bislang im Kellergeschoss eingeplant, der Bau eines Kellers entfällt nach der neuen Planung komplett. Das Archiv ist bislang unter den Bürgersälen im Kloster untergebracht, wo es nach den aktuellen Planungen sowohl beim Neubau als auch der Sanierungsvariante des ehemaligen Kaufhaus Groß bleiben wird.
Positive Kettenreaktion: die Einsparpotenziale beim Neubau
„Die Neubetrachtung der Planungen lösten eine positive Kettenreaktion aus, wir alle, auch die Architekten, waren überrascht, wo sich überall Sparpotenziale ergaben“, sagt Stefan Retter, Erster Beigeordneter und Amtsleiter Finanzen & Organisation. Nicht nur der Verzicht auf das Archiv zahlt sich aus, auch eine so genannte Kubaturverschlankung drückt die Kosten. Bis zu anderthalb Millionen können so eingespart werden. Unter einer Kubaturverschlankung versteht man eine Verkleinerung, das Gebäude wird niedriger und schmäler. Möglich ist dies unter anderem, weil die Dachgeschoss-Nutzung mit technischen Anlagen weniger Raum erfordert als das Archiv. Der gesamte Neubau kann deshalb um 3,10 Meter verschmälert und am Hauptgebäude um 1,25 Meter bei der Firsthöhe abgesenkt werden. Das notwendige Raumprogramm wird durch Umorganisation im Grundriss weiter wie geplant umgesetzt, verkleinert werden überwiegend Verkehrsflächen wie Flure. Und auch hier gibt es positive Folgeeffekte: Der Abstand zum denkmalgeschützen Tiffee-Haus am Markplatz vergrößert sich auf fünf Meter, was Erleichterungen bei den Brandschutzmaßnahmen nach sich zieht, so entfällt zum Beispiel eine teure Brandschutzmauer. Ein Aufzug muss durch die Neuordnung der Verkehrswege im Gebäude um 90 Grad gedreht werden und kann nicht mehr als Durchlader mit zwei Türen genutzt werden, der Wegfall der zweiten Türe spart ebenfalls Geld.
Andere Baumaterialien bei gleicher Optik
Unter die Lupe genommen haben die Planer auch die Konstruktion: Der Verzicht auf eine Holzkonstruktion zugunsten einer Stahlbetonkonstruktion sowie Beton- statt Holzdecken sparen zusammen fast 900.000 €, Holzfenster statt einer Pfosten-Riegel-Fassade gut weitere 390.000 €. Das ursprünglich geplante Blechdach mit Solarelementen wird durch ein Ziegeldach mit Solarziegel ersetzt. Gleichzeitig bleibt der optische Charakter des neuen Rathauses erhalten: Eine Steinfassade im unteren sowie Holzelemente im oberen Bereich greifen die Optik des historischen Rathauses auf. Im Inneren wird beispielsweise Jurastein statt Granit verlegt und die nicht öffentlichen Sanitärräume werden z.B. nicht komplett gefliest. Heizungs-, Lüftungs- und Kühlungsanlagen wurden aufgrund der neuen Raumvolumina neu berechnet und optimiert, was zu Einsparungen von fast 400.000 € führt. Neue Materialien bei den Außenanlagen wie etwa Asphalt statt Ortbeton oder Beton mit Natursteinvorsatz statt durchgängigem Naturstein bringen weitere 1,25 Millionen Euro Ersparnis.
Ein wichtiger Schritt für die Innenstadtentwicklung
„Die Suche nach Einsparmöglichkeiten hat sich gelohnt“, sagt Thomas Winterhalter im Rückblick auf die vergangenen Wochen. Im Januar 2024 ergab eine erste Kostenschätzung, dass die Baukosten für das neue Rathaus und das zugehörige Areal während der zweijährigen Planungszeit erheblich gestiegen sind – von ursprünglich im Jahr 2022 angenommenen 18 Millionen auf rund 27,9 Millionen Euro. Die Stadtverwaltung Steinheim und der Gemeinderat pausierten daraufhin das Projekt Neubau und gaben die Prüfung von Alternativen in Auftrag. Das Ergebnis: Die bedarfsgerechte Sanierung des ehemaligen Kaufhaus Groß erfordert eine Investition von ca. 18 Millionen Euro. Gleichzeitig bleiben aber wichtige Fragen unbeantwortet: Zum Beispiel die Höhe der Kosten für ein Interimsgebäude für die Verwaltung während der Sanierung oder nach Alternativen für NKD, Post und Steinheimer Lädle. Auch die städtebauliche Situation am Marktplatz bliebe weiterhin ungelöst und müsste durch einen neuen städtebaulichen Wettbewerb erarbeitet und zukünftig gelöst werden. Weitere Kosten wären die Folge, bislang investierte Gelder in die Planungen des Neubaus wären verloren.
Warum die Stadt ein neues Rathaus braucht
Das 1580 erbaute, denkmalgeschützte Rathaus ist dringend sanierungsbedürftig und bietet seit vielen Jahren zu wenig Platz. Die rund 65 Verwaltungsmitarbeitenden sind aktuell auf vier Standorte verteilt, Bürgerinnen und Bürger haben also unter Umständen vier verschiedene Anlaufstellen für ihre Anliegen. 2022 hat das Landesamt für Denkmalpflege festgestellt, dass das historische Rathaus unter einem massiven Sanierungsstau leidet. Seit der letzten grundlegenden Sanierung vor rund 40 Jahren, haben sich Schäden entwickelt, die auch die Tragkonstruktion betreffen. Diese Schäden erlauben es nicht, Teilsanierungen vorzunehmen. Das historische Rathaus muss denkmalgerecht generalsaniert werden und hat aufgrund des Schadenbildes noch eine in Aussicht gestellte Restnutzung von zweieinhalb bis drei Jahren.
Denkmalschutz & Sanierungsstau: Innenstadtentwicklung unter besonderen Bedingungen
Die Stadt konnte in der Vergangenheit zur Sicherung der innerstädtischen Entwicklung viele Gebäude im Eigentum halten oder erwerben. „Der große Bestand bietet viele Möglichkeiten, die im Moment nicht genutzt werden und deren Potentiale für eine künftige Nutzung wir vielleicht auch noch gar nicht alle kennen“, sagt Bürgermeister Thomas Winterhalter. Neben dem Rathaus umfasst der Gebäudebestand die Stadtbibliothek, die Kelter, das Gasthaus Lamm, die Alte Schmiede, das Backhaus und weitere Gebäude in der Badtorstaße. Allerdings bringen diese Immobilien und Flächen auch Probleme mit sich: Sanierungsrückstände führen zu Leerstand, rund 40% der Flächen der städtischen Immobilien in der Innenstadt können derzeit nicht genutzt werden. Auflagen des Denkmalschutzes schränken Planung, aktuelle und zukünftige Nutzung ein. Bauvorhaben im Innenstadtbereich erfordern Untersuchungen des Landesamtes für Denkmalpflege. Erschwerend kommt nach neuesten Erkenntnissen hinzu, dass im Bereich der Innenstadt das Artenschutzrecht relevant wird. Bei einigen Flächen besteht zudem der Verdacht auf Kampfmittel aus dem zweiten Weltkrieg, auch die Beschaffenheit des Baugrundes ist problematisch. Im Zuge der Innenstadtentwicklung hat die Stadt deshalb im Frühjahr 2023 das Planungsbüro Sutter3 mit der Erstellung eines Konzepts zur Stadtentwicklung beauftragt. „Mit dem Neubau des Rathauses setzen wir einen zentralen Punkt des Innenstadtkonzeptes um“, ist Thomas Winterhalter überzeugt. „Es gibt keine vernünftige Alternative, wenn man sich das Gesamtbild ansieht – es wird ein Jahrhundertprojekt, das sich auch auf lange Sicht auszahlen wird.“